4
Sep
2008

groszstadtabend

grosz5

george grosz gewidmet

holzdielen modrig greinen lau
die giftge grüne raupe dämmrung
ringelt diebisch sich gen freudenhaus
dort im kohleglühnden backsteinbau
kauert schaudernd hinterm diwan
der melancholische kardinal

gurrend schmeicheln feile maden
die nylonseelen dessous veräuszert
prallen hüllen sich entledigend
spinnen klebrigen puppenfaden
marionettenzylindergentlemen
zynisch dirigierend

auf blutbespritztem kopfstein
schleicht finster hutgetarntes fettauge
die klinge und das wort perfide gekrümmt
mürrisch lauernd furchtgeballt
rostig harrend auf beszre zeiten
auf die ermächtigte mörderbande

(bild: george grosz, café)
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Fischdöner auf'm Kiez I

Arizona

Flink, flink, flink, fangt frischen Fisch,
Tintenfisch mit langen Armen,
hackt ihn, presst ihn ohn' Erbarmen,
würzt ihn, bringt ihn auf den Tisch!

Fischdöner! Der letzte Schrei
auf'm Kiez nachts um halb eins,
Mädchen futtern und Karl-Heinz,
auch die Luden sind dabei.

Alle haun sie rein wie toll,
haben Riesenappetit,
saufen dazu Aquavit,
kotzen dann die Theke voll.

Hauen sich die Augen blau,
schlagen sich die Köppe ein.
schon sticht’s einer ab, das Schwein,
übrig bleibt ein Mordsverhau.

Und mein Liebster wischt und rennt
vierzehn Stunden voller Hast,
gönnt sich weder Ruh noch Rast,
's bisschen Freizeit wird verpennt.

Ackert, rackert wie ein Tier,
denkt sich: Mann, der Job ist schwer,
schlecht bezahlt, doch noch was mehr
als zum Amt gehn für Hartz vier.

Tu die Arbeit, putz das Klo
und erfülle deine Pflicht!
Trotzdem, Schatz, vergiss mich nicht,
bald mach ich dich wieder froh!

(Bild: Radio Bremen, Hafenkneipe Arizona)
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seefahrt

Vroom

schiff sticht in see
schneeweiß und stolz
schneidige seefahrer
segeln gen süden

selige seefahrt
schimmernde see
seejungfrauen
singen so süß

schiff unter sternen
schaukelt so sacht
sinnende seeleute
sanft in den schlaf

südseemädchen
sinnlich und schön
stehen am strand schon
sehnsuchtsvoll

stürmische see
segel so schwer
schreie und stöhnen
sinkendes schiff

schaurige see
skelette so starr
satan schnappt sich
sündige seelen

(Bild: Hendrick Vroom,
Niederländisches Schiff und Fischerboot in frischer Brise)
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Erlkönig besiegt

Ziellos treibe ich
durch dunkle Straßen,
bleich das Gesicht,
vom Wind zerzaust
mein wirres Haar.

Oben am Himmel,
hinter Nebelschleiern,
ein blassgelber Mond,
eingehüllt im Dunst
weißgrauer Wolken.

Mein rastloser Schritt
verliert sich einsam
auf nassem Asphalt.
Wie Irrlichter blendet
der Schein der Laternen.

Auf Zehenspitzen
durch raschelndes Laub.
Aus den Baumkronen
vernehme ich leise
Erlkönigs Raunen.

Im Namen der Söhne
lädt er mich zum Tanz.
Stehblues verspricht er,
Leidenschaften so heiß
und Wonnen so süß.

Im nachtschwarzen Kleid
mit einem Geschmeide
aus blauen Saphiren
und glänzenden Perlen,
kühlen Tränen gleich.

Im weißen Rolls Royce
versunken im Fond,
zum Schloss gefahren
von einem Chauffeur
gediegen in Grau.

Erlkönigs Söhne
empfangen mich
mit leeren Augen.
Sie geleiten mich
müde zur Tafel.

Ein Festmahl gar
wird aufgetragen
von einer Dame,
schwarz bekleidet
mit Schnurrbart.

Cognac und Scotch,
getrunken aus Stiefeln.
Champagner zerfließt
zwischen blutroten
welkenden Rosen.

Und Erlkönig spricht:
"Wir feiern im Jenseits.
Als Preis fordre ich
deinen Körper und
auch deine Seele."

Plötzlich packt mich
heilloses Entsetzen.
Bang frag ich mich:
"Ist mein Leben
verspielt und vertan?"

Lebenswille erwacht,
durchströmt meine Glieder.
Heiß siedet mein Blut.
Ganz laut schreie ich:
"Will leben! Will leben!"

Verfinstert sein Blick.
Seine eiskalte Faust
fährt mir ins Genick,
schubst mich unsanft
zur Kante der Klippe.

Doch ich kann Tai Chi,
stelle mich ganz ruhig hin
und mit gewaltiger Faust
schlägt er sich selbst k.o.
und ich bin frei!

Stolz und vergnügt
schreite ich voran,
trotz Sturm und Regen.
Hab keine Angst mehr:
Ich kann Tai Chi!

Taijijuan

(Bild: Mönch beobachtet Kampf
zwischen Schildkröte und Schlange)
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Verlorenes Paradies

Halbe Frau

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