3
Sep
2008

Halbe Frau - Mitad mujer

Frida-Kahlo-Selbstportrait

Halbe Frau

Eine Brust abgeschnitten,
verstümmelt, unsichtbar.
Bin nur noch halbe Frau.
Es fehlt ein Teil von mir.

Mit traurigen Augen
sitz ich hier neben dir
und frag mich bang:
Was will ich hier?

Doch dann berührst du mich
und deine Küsse erwecken mich.
Ich lebe, werd wieder heil
und eins mit dir.

Durch deine Liebe
wurde ich ganze Frau.
Und als stolze Amazone
geh ich durch deine Tür.

***

Mitad mujer

Cortado una mama,
Mutilado, invisible.
Sólo soy mitad mujer.
Me falta una parte de mí.

Con los ojos tristes
Me siento a tu lado
Y me pregunto miedoso:
Lo que busco aquí?

Pero entonces me tocas
Y tus besos me despiertan.
Vivo, estoy de nuevo todo
Y uno contigo.

A través de tu amor
Voy a ser toda una mujer.
Y tan orgullosa amazona
Voy a pasar por tu puerta.

(Bild: Frida Kahlo, Selbstporträt
mit Halsband aus Stacheln und Kolibri)
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Halbe Frau - 13. Nov, 21:25

Das Gedicht "Halbe Frau"

ist für mich sehr wichtig. Darin schildere ich, wie nach einem schweren Schicksalsschlag eine einzige Nacht mein Leben veränderte.

Eine einzige Nacht? Ja, eine einzige Nacht kann sehr viel verändern. Ich schöpfte in jener Nacht neues Selbstvertrauen, erfuhr, was Freundschaft wirklich wert ist und beschloss, als Dichterin an die Öffentlichkeit zu treten.

Das neue Jahrtausend begann für mich nicht gut. Ich erkrankte an Brustkrebs und meine wunderschöne linke Brust musste amputiert werden. Doch es gelang mir, den Krebs zu besiegen. Ich war sehr erleichtert, mit dem Leben davon gekommen zu sein. Ja, ich glaube, ich lernte das Leben erst richtig schätzen.

Jedoch bin ich eine Frau, und plötzlich war ich nur noch eine halbe. Eine halbe Frau in einer Gesellschaft, die uns zu dummen blonden Witzfiguren abstempelt und wir unterwerfen uns diesem Diktat und bilden uns auch noch was drauf ein.

Mein Selbstbewusstsein war zum damaligen Zeitpunkt bereits angeknackst. Ich war von meinen langjährigen platonischen Beziehungen, die genau genommen Mutter-Kind-Beziehungen waren, ausgebrannt. Drei Liebhaber begleiteten mich durch diese kargen, harten Jahre, was meine Situation etwas erträglicher machte.

Als ich sie mit den Folgen meiner Krankheit konfrontierte, fielen die Reaktionen allerdings ernüchternd aus. Der Erste mochte zwar Silikon, aber nicht als Prothese, sondern in großen Mengen unter die Haut gepflanzt. Der Zweite versicherte mir, es wäre alles überhaupt kein Problem, aber das war nicht ehrlich gemeint. Der Dritte sagte mir unverblümt, da fehle was.

Ich war ratlos und verzweifelt, hin- und hergerissen zwischen dem Streben nach Autonomie und dem Wunsch, als weibliches Wesen akzeptiert zu werden.

Bis zu jener einen Sommernacht, als ich in die Arme eines Freundes sank. Er öffnete mir sein Herz, war lieb und zärtlich, und alles war so vertraut und selbstverständlich, dass es mir gelang, meine Angst zu überwinden und eins zu werden mit ihm, mit mir und der ganzen Welt, in die ich am nächsten Morgen als stolze Amazone zurückkehrte.

Daraufhin verfasste ich dieses Gedicht und hatte die Idee, es zu veröffentlichen. Ich kramte noch ein paar ältere Gedichte hervor und stellte alles ins Netz. Seitdem schreibe immer wieder was Neues. Und so erfüllte sich mein Kindheitstraum, einmal Dichterin zu werden.

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