4
Sep
2008

Erlkönig besiegt

Ziellos treibe ich
durch dunkle Straßen,
bleich das Gesicht,
vom Wind zerzaust
mein wirres Haar.

Oben am Himmel,
hinter Nebelschleiern,
ein blassgelber Mond,
eingehüllt im Dunst
weißgrauer Wolken.

Mein rastloser Schritt
verliert sich einsam
auf nassem Asphalt.
Wie Irrlichter blendet
der Schein der Laternen.

Auf Zehenspitzen
durch raschelndes Laub.
Aus den Baumkronen
vernehme ich leise
Erlkönigs Raunen.

Im Namen der Söhne
lädt er mich zum Tanz.
Stehblues verspricht er,
Leidenschaften so heiß
und Wonnen so süß.

Im nachtschwarzen Kleid
mit einem Geschmeide
aus blauen Saphiren
und glänzenden Perlen,
kühlen Tränen gleich.

Im weißen Rolls Royce
versunken im Fond,
zum Schloss gefahren
von einem Chauffeur
gediegen in Grau.

Erlkönigs Söhne
empfangen mich
mit leeren Augen.
Sie geleiten mich
müde zur Tafel.

Ein Festmahl gar
wird aufgetragen
von einer Dame,
schwarz bekleidet
mit Schnurrbart.

Cognac und Scotch,
getrunken aus Stiefeln.
Champagner zerfließt
zwischen blutroten
welkenden Rosen.

Und Erlkönig spricht:
"Wir feiern im Jenseits.
Als Preis fordre ich
deinen Körper und
auch deine Seele."

Plötzlich packt mich
heilloses Entsetzen.
Bang frag ich mich:
"Ist mein Leben
verspielt und vertan?"

Lebenswille erwacht,
durchströmt meine Glieder.
Heiß siedet mein Blut.
Ganz laut schreie ich:
"Will leben! Will leben!"

Verfinstert sein Blick.
Seine eiskalte Faust
fährt mir ins Genick,
schubst mich unsanft
zur Kante der Klippe.

Doch ich kann Tai Chi,
stelle mich ganz ruhig hin
und mit gewaltiger Faust
schlägt er sich selbst k.o.
und ich bin frei!

Stolz und vergnügt
schreite ich voran,
trotz Sturm und Regen.
Hab keine Angst mehr:
Ich kann Tai Chi!

Taijijuan

(Bild: Mönch beobachtet Kampf
zwischen Schildkröte und Schlange)
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