18
Mrz
2020

Ein besonderer Tag

Ihr kennt doch sicher diese Fernsehsendungen, in denen Menschen, die sich aus den Augen verloren haben, auf wundersame Weise wieder zusammenfinden. So ein kleines Wunder ereignete sich auch an jenem denkwürdigen Sonntag auf der IFA, und es war fast ganz echt.

Eigentlich sind wir ja alle eine große Familie, die Darsteller der Lindenstraße auf und wir Fans vor dem Bildschirm. Auch bei uns kommt es manchmal vor, dass sich Menschen aus den Augen verlieren.

So geschah es auch mit Kostas Papanastasiou. Bis zur Folge 794 hatte er den Panaiotis Sarikakis gemimt, den singenden Wirt des Akropolis. Zu unserem Bedauern sagte er damals der Lindenstraße αντίο (Lebewohl), um in Georgien humanitäre Hilfe zu leisten. Gastwirt blieb er auch weiterhin, nämlich im legendären Terzo Mondo. Seit Jahren hatte er seinen Fernsehsohn Vasily nicht gesehen, der in Wirklichkeit Hermes Hodolides heißt.

Nun fand gerade die IFA statt, und ein paar Lindenstraße-Schauspieler gaben täglich Autogramm-Stunden. Nicht zufällig saßen wir just an diesem Wochenende am Berliner Lindenstraße-Stammtisch mit Kostas zusammen. Am nächsten Tag würden wieder drei Schauspieler auf der IFA sein, nämlich Cosima Viola, Philipp Neubauer und - Hermes Hodolides! Beschwingt vom Ouzo beschlossen wir kurzerhand, zusammen hinzugehen.

Gesagt, getan. Am Sonntag High Noon fuhren mit dem Taxi zum Messegelände. Wir nahmen Kostas in unsere Mitte und marschierten zum Stand der ARD. Kostas, unvergessen, stand in der Menge der Wartenden und musste viele Autogramme geben. Wir überzeugten die Securities, ihn durch die Absperrung zu lassen.

Das war eine Überraschung, als sich Kostas und Hermes plötzlich gegenüberstanden! Die Schauspieler strahlten, und bei uns Fans flossen die Tränen. Der "Zeus vom Savignyplatz" durfte kurz zwischen den anderen Schauspielern Platz nehmen und thronte da auf dem Stuhl wie ein König - König unserer Herzen!

Danach saßen die beiden noch eine Weile beim Kaffee zusammen. Dann musste Hermes weg. Kostas hatte es nun auch eilig, an die frische Luft zu kommen, ich ebenfalls, weil unsere Lungen piepten, und raus ging es in den Sonnenschein zum Rauchen. "Was für ein herrliches Wetter!" sagte ich. "Ja," sagte Kostas. "Das hat uns heute der liebe Gott geschickt!"
426 mal gelesen

17
Mrz
2020

In Corona-Zeiten...

In Corona-Zeiten ein bisschen spazieren und danach einkaufen gegangen.

Auf der Schaukel im Hof ein einsames Kind, das Selbstgespräche führt. Auf der Straße dagegen mehr Leute als sonst ins Gespräch vertieft. Vor einem Café sitzt ein Grüppchen an der frischen Luft und trinkt Bier. Kopf ab!

Das Einkaufszentrum ist voll, die Modegeschäfte sind leer. Im Reformhaus kann ich noch das letzte Brot und die letzte Flasche Milch ergattern. Im Drogeriemarkt gibt es keine Katzenstreu mehr, also muss ich zum teureren Supermarkt. Durch die Schlange am Nudelregal sehe ich mich veranlasst, mir zwei Päckchen Nudeln zu sichern. Außerdem ein paar Dinge, die der Wohlstandsbürger so braucht - Schokolade, Sushi, einen Piccolo. So eine kleine Flasche reicht ja für mich alleine. Da ich als Rentnerin jetzt Risikogruppe bin, wird mich vielleicht niemand mehr besuchen kommen.

Noch Erde und ein paar Frühblüher aus dem vietnamesischen Blumenladen, damit ich mir den Balkon schön machen kann. Der Blumenverkäufer packt alles in eine Plastiktüte ein und wischt den Griff mit Desinfektionsmittel ab.

Auf dem Heimweg treffe ich eine Nachbarin, auch Risikogruppe, da über 80. "Na," meint sie, "Hamsterkäufe gemacht?"
454 mal gelesen

16
Mrz
2020

Ansonsten alles wie immer

Als Rentnerin habe ich ja das Privileg, zu Hause zu bleiben und aufzustehen, wann ich will.

Nur heute habe ich mir wohl zu lang Zeit gelassen. Ein Mitarbeiter vom Verleih ruft an und bittet mich, die Soundanlage von der Demo etwas früher zurückzubringen. Sie hätten nichts zu tun und wären auf Kurzarbeit. Da will er wohl ein bisschen früher weg statt Däumchen zu drehen für das bisschen Geld.

Anschließend noch schnell einkaufen. Die Hamsterkäufer waren leider schon früher unterwegs. Der Supermarkt ist voller Kundschaft, aber die Regale sind halb leer. Keine Bio-Eier, keine Bio-Milch. Also erst mal vegan ernähren, kann ja nicht schaden. Die aufgebrachte Kassiererin zu ihrer Kollegin: "Die Jören sind jetzt ooch zu Hause. Soll ick die jetzt selber unterrichten? Nach Feierabend?"

Den Obdachlosen vor dem Markt frage ich, ob es denn nicht riskant für ihn wäre mit dem ganzen Kleingeld. Da zeigt er mir, wie er immer, wenn sich ein paar Münzen im Becher angesammelt haben, Desinfektionsspray drauf sprüht und alles gut durchschüttelt.

Ansonsten alles wie immer am Prenzlauer Berg.
509 mal gelesen

13
Mrz
2020

Racheengel Else Kling

Else-Kling

Vorgetragen auf unserer Demo am 14. März 2020 in Berlin
gegen die Absetzung der Fernsehserie "Lindenstraße"


Griaß Gott, Saupreißn in Berlin!
I woaß net, Preißn, kennts ia mi? – Naa? – Joo!
I woar dem Hausmoasta sei Frau
in dera Lindenstroß, genau.

Des is lang her, scho vierzehn Joahr.
Do bin i gstorbn, weils Zeit scho woar.
Mir is des recht, ihr wissat ja,
i kann eh schweign wiara Grab!

Grad schee woars druntn in da Gruft,
als auf amoi a Stimm mi ruft.
A Rab hot auf mei Grab drauf gschissn,
hot gschrien, i müsst des Neuste wissn.

"Do drom is Sodom und Gomera,
weil z Minga dia großkopfat Herra
ham gsagt, dia oide Lindenstroß,
die wolln ma net, Pfiats eich, des woars!

Dia Zuschaua wern gar net gfragt,
des Zwangsgeld wird scho eingesackt.
Des is wia vor fünfhundert Joahrn,
als d Baura no leibeigen woarn.

Der Geißendörfer is net hier.
Mei, der hot kämpft grad wiara Stier.
Do hams eam glei des Mei verbotn,
jetz muass er stad sei wia dia Dotn.

Dia ganze Stroß wird abgerissn,
dia ganzn Leit san angeschissn,
dia Beimerin war au fast dot.
Ach bittschön, hülf uns in der Not!"

Do hob i mi im Grab umdreht,
hob gsagt: "Mei Egon, i muss geh!"
Drauf hob i gschwind mein Besn packt,
bin wia da Wind auf d Erdn gjagt.

Bin glei zur ARD neiganga,
hob gfragt: "Wollts eich a Watschn fanga?
Da Deifi dat scho recht lang wartn
auf eich, Herr Herres und Konsorten.

Da Herrgott bstellt eich: Passts fei auf,
sunst kimmts ia net in Himmi nauf!
A schwere Sünd hobts ihr begangen,
No hobts a Frist, neu anzufangen.

Wenns schee macht, eia Scheißprogramm,
dann wolltat ma des scho gern ham.
Ist d Lindenstroß nimmer dabei,
dann schmeiß ma alls in d Mülltonn nei."

Do hams bleed gschaut, dia hohen Herrn,
ham gsagt: "Scho recht, wia nehmat gern
die Lindenstroße wiada nei,
am bestn glei auf Bayern 3."

Hob i des träumt? Des war grad schee!
Dann könnt i in mei Grab nei geh
und mit meim Egon Fenseh schaun.
Mei, is des net a scheena Traum?

Leit, dreimoi hobts ia no die Freid,
dann hots an End, dia scheene Zeit!
Kämpfts weita fia die Lindenstroß,
dass wiedakimmt! Pfiats eich, des woars.

(Bild: EO Reinhardt)
489 mal gelesen

27
Okt
2019

Im Gedenken an Cyparis

Nichts ist für die Ewigkeit.
Werden und Vergehen.
Kann man es verstehen?
Jedes Ding hat seine Zeit.

Unerbittlich ist der Tod,
nimmt uns unser Liebstes.
Keine Hoffnung gibt es,
wenn er mit der Sense droht.

Doch so lange wir noch sind,
hören wir es scherzen
tief in unsren Herzen,
unser liebes Musenkind.
505 mal gelesen

21
Mai
2019

Vom kleinen König und seinen Untertanen

Es war einmal ein kleiner König,
ihn dick zu nennen wär zu wenig.
Er hatte sich höchstselbst gekrönt
und seine Vita auch geschönt.

Er tat mehr schlecht als recht regieren,
ließ lieber sich zur Tafel führen.
Wenn man ihm die Serviette band,
gab's nirgends Wildschwein mehr im Land.

Ließ sich im Königreich rumtragen,
so konnt er alle überragen
auf seinem riesengroßen Schild.
Fürwahr, ein imposantes Bild!

Er trug von nem famosen Schneider
von Hand gewebte neue Kleider
aus Stoff, der ganz besonders war,
hauchzart, vollkommen unsichtbar.

Und seine Untertanen lachten,
bis ihnen ihre Schwarten krachten.
"Ha, dieser König is'n Witz,
der Fettwanst mit nem Kopf voll Grütz!"

Die Diener aber, die den König
herumzutragen hatten ewig,
die liefen sich die Beine ab,
bis es am Ende keine gab.

Mussten sich kriechend fortbewegen,
das kam dem König auch gelegen.
Nun krochen sie ihm hinten rein,
das fand er ganz besonders fein.
445 mal gelesen

13
Mrz
2019

Geeignetes Verkehrsmittel

„Warum ist es am Rhein so schön?“
hör ich die Leute fragen.
„Ich würd zur Not zu Fuß hingehn,
so schön ist’s!“ kann ich sagen.

Zu teuer ist es mit der Bahn,
fürs Auto muss man blechen.
Der Flieger kommt viel schneller an,
die Umwelt zahlt die Zeche.

Das Tramperleben, das ist klar,
doch stimmt mich das auch traurig,
ist nicht mehr das, was es mal war,
man steht die Füß in Bauch sich.

Mit Fahrgemeinschaft oder Bus,
da könnte es wohl klappen,
nach Köln zu reisen ohn Verdruss
anstatt auf Schusters Rappen.
424 mal gelesen

31
Okt
2018

Annes Metamorphosen

Wer kennt denn schon die Namen all,
kennt all die Menschen, die sie tragen.
Ach, Namen sind nur Rauch und Schall,
hör ich zu Unrecht Leute sagen.

Beherzt auf Stöckelschuhen lief
einst Bipontina über Brücken,
sah, ob sie grad warn oder schief,
sah Blumen sprießen aus den Lücken.

Als Zwilling später zeigte sie
den Foren ihre zwei Gesichter,
als Mentor voller Empathie,
als Spötter und gestrenger Richter.

Die alte Leier stets von vorn,
die spielte sie zum Wohl der Sprache.
Manch blindes Huhn fand so ein Korn,
doch stieß sie oft auf eine Brache.

Die Lehren hatten einen Bart,
so lang wie der von Barbarossa.
Sie tat es auf die feine Art,
falls ihr nicht zu sehr stank die Gosse.

Das große Rom, es wurde nicht
erbaut an einem einzgen Tage,
doch Romulus, der kleine Wicht,
legte den Grundstein ohne Frage.

Es ist ein unerhörtes Thing,
dass sie die schnöde Welt verlassen.
Wer nicht aus Liebe Feuer fing,
der durfte sie zumindest hassen.

Ja, Cyparissos/Cyparis
samt all ihren Metamorphosen,
die ehre ich und sage Tschüss.
Macht euch jetzt nicht mehr in die Hosen...
590 mal gelesen
logo

Verlorenes Paradies

Halbe Frau

Inhalt

Verlorenes Paradies