19
Mrz
2020

Frühlingsspaziergang trotz Corona

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Nachdem ich gestern meinen ersten Tag in Quarantäne um einen Kampfgefährten trauernd, aus allen Kanälen Corona hörend und Trübsal blasend zugebracht hatte, hielt es mich heute nicht mehr in den vier Wänden. Kreuzigt mich, aber ich wollte mich einfach am Sonnenschein und am jungen Grün erfreuen, bevor das Wetter wieder schlecht wird. Und ohnehin stärkt Bewegung an der frischen Luft das Immunsystem.

Nach den gestrigen mahnenden Worten der Kanzlerin und nachdem neuerdings die Sechzehn- bis Neunundzwanzigjährigen als Hauptüberträgergruppe des Virus vermutet werden, würden sich bestimmt weniger dieser "Volksschädlinge" draußen aufhalten und mich als Angehörige einer Risikogruppe gefährden. Wahrscheinlich würden wieder viele Autofahrer unterwegs sein, denn die freien Bürger haben ja jetzt wieder freie Fahrt und eine gute Entschuldigung.

Der Kontrollgang über den Hof schien meine Vermutung zu bestätigen. Diesmal kein einsames Kind auf der Schaukel, stattdessen Kindergeschrei aus einem Fenster. Auch der Altpapiercontainer war ungewöhnlich leer. Womöglich horten die Leute jetzt das Zeitungspapier, für den Fall, dass es kein Klopapier mehr gibt.

Aber draußen war dann alles normal bzw. fast normal. Viele Menschen unterwegs, die sich aber nicht drängelten, so dass die Omas mit ihren Rollatoren mal gemächlich übers Trottoir schlendern konnten, ohne fast umgestoßen zu werden. Auch die tratschenden Prenzlberger Mütter und die Gäste vor den Restaurants hielten einen Sicherheitsabstand ein.

Am Humann- und am Helmholtzplatz spielten die Kinder, bewacht von ihren Eltern. Die Trinker am Helmi allerdings saßen zum Teil mit weniger als 1 m Abstand zusammen. Da wird bestimmt bald die Polizei kommen.

Um mich noch mal richtig in Stimmung zu bringen, nahm ich zum Schluss den verschönerten Fröbelplatz in Augenschein. Dort sind die Wege jetzt frisch gepflastert und die Hunde werden von ihren Herrchen und Frauchen an der Leine herumgeführt. Auf der Wiese, wo früher ihr Treffpunkt war, stehen jetzt ein paar seltsame Trimmgeräte, die im Gegensatz zum Fußballplatz nicht genutzt werden. Wenigstens wischt von dem Betonwall, dem die alten Bäume weichen mussten, keiner die Graffiti weg.

Auf dem Heimweg nahm ich mir vom Straßenrand noch ein Donald-Duck-Heft mit. Weil ich kein Desinfektionsmittel habe, werde ich es ein paar Tage liegen lassen, bevor ich es lese.

Mein Fazit: Kaum vorstellbar, dass sich der Berliner seine sozialen Kontakte verbieten lässt, vor allem heutzutage, wo es ein interessantes Gesprächsthema gibt. Es werden wohl drastische Maßnahmen notwendig sein.

Vielleicht sind ja zur Zeit besonders viele Leute unterwegs, weil sie, so wie ich, noch ihre Freizügigkeit genießen wollen, bevor wir vielleicht bald alle in unsere Wohnungen eingesperrt werden.
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