18
Mai
2013

Andere Zeiten

Wenn ich heut durch mein Viertel geh,
dann tun mir meine Augen weh.
Ich laufe kreuz und laufe quer
und ich erkenne es nicht mehr.

Die Kirche von Gethsemane
verdeckt ein Wohnhaus weiß wie Schnee.
Die Nachbarn aus dem Schwabenland
sind gut betucht und unbekannt.

Verboten ist die Live-Musik,
am Kollwitzplatz herrscht Spätzle-Krieg.
Ein freches Gör brüllt wie am Spieß,
dem man nicht seinen Willen ließ.

Das Schliemann ist schon lange zu,
auch Meister Brunzel hat bald Ruh.
Kein Opa singt mehr voller Hohn
ein Spottlied zum Akkordeon.

Kein Dichter mehr, der subversiv
dereinst zum Klassenkampf aufrief.
Kein Hausbesetzer macht Rabatz,
kein Trinker sitzt am Helmholtzplatz.

Kein Einsatz für die Feuerwehr,
auch kein Fabrikarbeiterheer.
Das große Gähnen macht sich breit
in dieser schönen neuen Zeit.
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Masse Mensch

Schon als zarter Knabe hold
hab ich eines nur gewollt:
Reichster Mann auf Erden sein!
Ließ mich aufs Gewinnspiel ein
um das viele schöne Geld
auf der großen weiten Welt.

Idealer Lebenszweck:
Borstenvieh und Schweinespeck.
Münzen, Noten, Wertpapier,
zum Befriedigen der Gier
eine große Knechteschar
und ein Hofstaat wie ein Zar.

Nur der Mensch bringt mir nicht viel
in dem Maximierungsspiel.
Er ist faul und kostet Geld,
hier wie in der Dritten Welt.
Ich ersparte mir den Lohn,
hätt ich endlich einen Klon.

Klar, der Mensch ist Konsument,
wie man Dümmeres nicht kennt.
Ich verkauf ihm Scheiß für Gold,
anders hat er's nicht gewollt,
Weiber, Wein und Comedy,
Massenvieh fürs Massenvieh.

Doch ist manches Exemplar
leider nicht berechenbar.
Mag der Mensch auch träge sein,
fängt er doch mal an zu schrein.
Michel wurde Demokrat,
Meinhof schritt zum Attentat.

Zeit wird's, dass die Wissenschaft
mir den Roboter erschafft,
der aus Fleisch und Blut besteht,
kaufen, saufen, raufen geht
und der fraglos und beglückt
auf die roten Knöpfe drückt.

Denn für jede Superdrohn
gibt's für mich nen Extralohn.
Könnt es so nicht immer sein?
Bringt mir einen Antrag ein
morgen früh ins Parlament,
wenn noch das Gewissen pennt!

Rasch das Teufelszeug gebaut,
Kruppstahl nehmt und Menschenhaut!
Massen schaffen im Akkord
Waffen für den Massenmord.
Und alles brüllt Viktoria
vom Belt bis Südwestafrika.

Demnächst hab ich es geschafft,
hab genug zusammgerafft,
sag der Masse Mensch ade,
hinterlass ihr fürs Souper
einen kahlen Erdenball
und entfleuch ins Weltenall.
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5
Mai
2013

Hochzeitssonett

Für Marleen und Lena

Am Karneval der Vielfalt der Kulturen
da haben sich die beiden einst gesehen
und unversehens war’s um sie geschehen,
um diese wunderhübschen Kreaturen.

Sie wollten ihren Weg gemeinsam gehen.
Wir finden auf dem Pflaster ihre Spuren
nach Parties, Demos und von Wandertouren.
Sie scheinen sich ganz prima zu verstehen.

Drum wird es ihnen ganz gewiss gelingen,
sich ein Familienleben aufzubauen.
Sie werden alle Hürden leicht bezwingen,

weil sie sich lieben, achten und vertrauen.
Bald hören wir ein Kinderlachen klingen
und können ruhig in die Zukunft schauen.
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28
Apr
2013

Anno Dutt

Ja, neue Männer braucht das Land,
die alten sind uns nicht verwandt.
Sie stammen noch von anno Dutt
und machen bloß die Welt kaputt.

Die Sklaven des Testosteron
sitzen als Herren auf dem Thron.
Sie saufen Wein und fressen Schwein
und pupen in den Sessel rein.

Ne Salome erfreut die Schwänz
mit einstudiertem Table Dance.
Mit krummem Rücken kniet im Dreck
ein Weib und schrubbt die Flecken weg.

Daheim hütet die Kinderschar
die Olle, wie’s schon immer war.
Wenn sie den Sinn nicht mehr berauscht,
wird sie postwendend ausgetauscht.

Im Drogeriemarkt sitzt ein Heer
Kassiererinnen, schuftet schwer
für Niedriglöhne und den Boss
auf seinem edlen hohen Ross.

Du fragst mich, ob ich bisschen spinn,
wir hätten doch ne Kanzlerin,
schaust nur der Puppe ins Gesicht
und siehst den Puppenspieler nicht.
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26
Apr
2013

Die Krone der Schöpfung

Große Schlachten, kleine Kriege,
Ehezwist und Völkermord,
Beutezüge, Pyrrhussiege,
manches unbedachte Wort.

Racheakte, schlechte Taten,
ein geplünderter Planet,
bis der Letzte der Primaten
zähneklappernd untergeht.
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9
Mrz
2013

Füllsel

Ein Dirndl füll ich sehr gut aus.
Es steckt der Herr ans Dekollete
mir einen Alpenrosenstrauß
und reicht mir seine Tanzkarte.

Den Chefsessel füll ich nicht aus,
weil ich nicht dicke Eier hab.
Drum bleib ich lieber brav zu Haus
und schwinge meinen Zauberstab.

Regale füll ich täglich auf,
wofür's paar schlappe Euros gibt,
wovon ich ein paar Koteletts kauf,
weil die mein Schatzi so sehr liebt.

Mit Büchern füll ich meinen Schrank
und lese bis zum Morgengraun.
Dann laufe ich die Straße lang,
um Patriarchen zu verhaun.
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5
Mrz
2013

Kein Schwein

Nun sitz ich hier mit nassen Wangen
in selbst gewählter Einsamkeit.
Vier Wände halten mich gefangen
und jede Menge Selbstmitleid.

Bin nicht ans Telefon gegangen,
so oft mich auch ein Freund anrief.
Ach, ich verspürte kein Verlangen
und mein Gewissen schlief ganz tief.

Hab meine Liebsten einst verlassen,
denn ich war mir ja selbst genug.
Lief ohne Ziel durch dunkle Gassen,
fand falschen Schein nur und Betrug.

Nun sitz ich hier allein und heule:
Oh, könnte es wie früher sein!
Die Stirn ziert eine dicke Beule.
Wer ruft mich heute an? Kein Schwein.
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1
Mrz
2013

East Side Gallery

Es war mal eine Mauer,
die machte alle sauer,
drum wurde sie beschmiert
und montags demonstriert.

Die Mauerspechte pickten
drauf rum wie die Verrückten
und nur ein kleines Stück
blieb noch davon zurück.

Das wollte man erhalten
und ließ es schön gestalten
als Ort für Fantasie
und gegen Amnesie.

Da kam ein feiner Pinkel,
sein Name war Maik Hinkel,
der schnappte an der Spree
sich dieses Stück Filet.

Die Abrissbagger rollten,
doch die Blockierer grollten.
So hatten, eins, zwei, drei,
die Bauarbeiter frei.

Zwar sind nun alle heiter,
jedoch, wie geht es weiter?
Geht Kunst und Denkmalschutz
vor Gier und Eigennutz?

Na, wollen wir mal gucken,
ihm in die Suppe spucken.
Noch lange lebe sie,
die East Side Gallery!
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9
Feb
2013

Heathrose Red'n Blue

(One billion rising)

Once a boy a Rosebud spied,
All array'd in youthful pride,
Kicked her til she almost died
By the early morning light.

But the Heathrose blue and red
Would arise from her death bed,
Raised her head and danced ahead
Til damn sexism was dead.
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Verlorenes Paradies

Halbe Frau

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